Marc Henri Reckinger
artiste peintre
Marcos (Zapatistas) beendete seinen Brief mit den Worten: „Es ist notwendig, eine neue Welt zu errichten, eine Welt die viele Welten zulässt, die allen Welten Raum gibt." (aus John Berger-Gegen die Abwertung der Welt.) Ich meine romantisch nicht im Sinne von Natur oder Liebesschwärmerei sondern von WELTANSCHAUUNG, als Kritik an der Modernität als wesentliches Ereignis der industriellen Revolution und der Verallgemeinerung der Marktwirtschaft.
Dieser Geist des Kapitalismus brachte vor allem Rechenhaftigkeit, Zweckrationalität und bürokratische Diktatur. Die permanente Steigerung dieser Eigenschaften verschärfte den Verlust der wesentlichen Werte der Menschlichkeit: das subjektive Individuum und die Totalität.
Die Romantik ist der Versuch den einzigartigen und unvergleichbaren Charakter einer jeden Persönlichkeit mit der Komplementarität der Individuen zu verbinden. Die GEMEINSCHAFT ist eine ihrer essentiellen Forderungen. Denn das verlorene Paradies war die Fülle des Ganzen, Mensch und Natur.
Der Spätkapitalismus (Globalisierung) treibt die Widersprüche der Modernität auf ihren Höhepunkt zu. Der alles dominierende Markt fordert die immer schnellere Entwicklung von Technik, Technologie und Wissenschaft. Dies führt zu mehr Rationalisierung, Bürokratisierung und Verdinglichung. Der offensive Neoliberalismus macht alles bis hin zum ganzen Menschen samt Körper und Gewissen zur Ware. Alle menschlichen Werte werden mit Geld bewertet. Die Fragmentierung der Gesellschaft und die tägliche Isolierung des Individuums scheint nicht aufzuhalten zu sein.
Die Romantik ist in ihrem Wesen eine antikapitalistische Strömung auch wenn die einzelnen Komponenten in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Auch ist sie nicht auf das 18. Jahrhundert reduzierbar und in ihren Aussageformen begrenzt. Auf der Weiterentwicklung und der Verschärfung der Widersprüche der modernen kapitalistischen Gesellscheft dauert das romantische Abenteuer weiter an.
Ich meine romantisch auch nicht im Sinne einer nostalgischen Rückkehr zur Vergangenheit, sondern als Drängen zu einer neuen Zukunft mit der Erfahrung vergangener Zeiten.
Für mich bleibt die Belebung der Utopie ein wichtiger Teil meiner Arbeit als Maler. Dabei steht für mich Utopie nicht als Hirngespinst sondern als das noch nicht und nirgendwo Existierende. Die Utopie, nicht zurück, sondern vorwärts mit Wissenschaft und Technologie zu einer anderen sozialen Logik und die Weiterentwicklung der Menschlichkeit, das muss unser Ziel sein.
Als Künstler fühle ich mich in der Verpflichtung in diesem Sinne zu arbeiten. Deshalb nehme ich mir die Freiheit, mich als Romantiker zu bezeichnen!
Marc Henri Reckinger, Januar 2006